Erklärung des neuen Eigentümers vom 28. März 2009:

"Das Grundstück von Palucca auf der Insel Hiddensee wurde am 28. März 2009 in Berlin versteigert. Der neue Besitzer stammt aus Sachsen. Nach eigenen Aussagen beabsichtigt er, das Grundstück einer konzeptionellen Nutzung in Abstimmung mit der Palucca Schule Dresden zuzuführen."


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Mahnung vor dem Rathaus Berlin Schöneberg


Mahnung der Studenteninitiative Palucca Haus Hiddensee vor dem Schöneberger Rathaus Berlin, 28.03.09, 14 Uhr.

Tagebucheintrag 28.3.2009 von Palucca-Schülerin Pauline Stöhr:

"Wir sind heute ziemlich früh aufgestanden, genau genommen 5:15 Uhr, und mit dem Zug 7:01 Uhr nach Berlin gefahren.
Wir, das sind Vanessa (15), Maria (15), Sara (15), Eila (18), Vicky (18), Shirley (16) und ich, Pauline (16).
Am Vormittag waren wir dann vor dem Auktionshaus in Berlin-Schöneberg und trafen dort auf Herrn Hirsch, Frau Müller, Frau Glasow, Herr Hänel und Ute Fritsch.
Wir waren furchtbar aufgeregt, da in wenigen Stunden alles über die Zukunft des Grundstücks entschieden sein würde.
Einige Stunden standen wir in großer Kälte, sichtbar für alle mit großen Plakaten und verteilten Flyer.
Endlich, endlich, wir waren schon fast durchgefroren, war unsere Zeit gekommen und "Position 99" sollte bald versteigert werden.
Wir gingen also ins Gebäude hinein.
Im Vorraum der Versteigerungshalle kam dann ein Herr auf uns zu und redete mit Herrn Hirsch. Er stellte sich als Anwalt vor, der einen älteren Herrn, der ebenfalls anwesend war, bei der Versteigerung des Objekt unterstützen werde. Herr Hirsch war sichtlich erstaunt, dass nun jemand das Grundstück ersteigern wolle. Es stellte sich heraus, dass dieser Mann das Grundstück für die Schülerinnen und Schüler der Paluccaschule im Sinne von Paluccas erwerben wollte, man versicherte, es würde sich um einen seriösen Menschen handeln, dem man vertrauen könne und würde in diesem Sinne darum bitten, bei der Versteigerung nur stillschweigend beizuwohnen und keine weiteren Aktionen mit den Plakaten durchzuführen.
Wir wußten jetzt gar nicht, wie uns geschieht und was das alles zu bedeuten hatte und waren sehr verunsichert. Als plötzlich dieser ältere Herr auf uns zu kam und einigen Mädchen von uns feierlich Weidenkätzchenzweige überreichte. Er sagte uns, dass er die Zweige morgens von Paluccas Grundstück auf Hiddensee gepflückt hatte. Er stellte sich als ein Unternehmer vor, der sehr krank ist und nun noch gerne eine gute Tat vollbringen möchte und in kooperativer Zusammenarbeit mit unserer Schule dieses Grundstück im Sinne von Palucca erhalten möchte. Dass Paluccas Haus abgerissen wurde, fand er auch ganz unglaublich. Auf den Tisch, um den herum wir Schülerinnen standen, legte er einen Ziegelstein, mit den Worten, er sei von Paluccas Haus und solle der Grundstein für den Wiederaufbau werden. Neben den Stein legte er die Tafel, die vor der Auktion an Paluccas Grundstück angebracht wurde, auf dem standen "Pos. 99" Mindestgebot: 398.000€. Vor die 398.000€ hatte er mit rotem Stift eine "1." geschrieben. Wir wußten nicht, was das zu bedeuten hatte, aber er erklärte es uns so, dass dies die Gesamtsumme sei, die er zur Verfügung hätte, um das Grundstück zu erwerben. Je weniger das Grundstück kosten würde, umso mehr würde übrigbleiben für den Bau des neuen Paluccahauses. "Das wird dann eure Aufgabe sein. Ich erwerbe für euch das Grundstück, den Rest müsst ihr dann allein schaffen. Ich will nicht nur, dass ihr dort tanzt, ich fordere das sogar! Und ich möchte das noch erleben und zwar nicht von "oben"!"
Wir waren ganz gerührt, erfreut und erstaunt zugleich und konnten das alles gar nicht glauben. Wie kann es nur soviel Gutes auf einmal geben, dass sich nach all den Mühen, dem Hoffen und Bangen, dem Frieren und Zittern vor Aufregung, doch noch alles zum Guten wendet.
Dann wurden wir in den Versteigerungssaal gebeten.
Dort saßen viele Menschen, viele hatten auch unsere Aktion mit den Plakaten wahrgenommen. "Position 99" wurde wie vorher besprochen von dem Herrn Unternehmer ersteigert, für nur sage und schreibe 402.000€. Im Saal hatte extra keiner mehr mitgeboten und es gab für die erfolgreiche Versteigerung einen ordentlichen Applaus. Bei keinem anderen Grundstück wurde applaudiert, nur bei unserem!
Wir fühlten uns wie im Märchen, in dem das Gute siegt."


Beitrag von Tilman Steffen, Zeit online

Berlin (ddp-nrd). Mit klopfendem Herzen und schweißnassen Händen verfolgen sieben ganz in schwarz gekleidete Studentinnen bei der Grundstücksauktion im Rathaus Schöneberg in Berlin die Versteigerung der Nummer 99. Für die Mädchen der Palucca-Schule Dresden handelt es sich dabei nicht um ein gewöhnliches Grundstück, sondern um das Anwesen ihres künstlerischen Vorbildes, der Schulgründerin und Tanzikone Gret Palucca (1902-1993). Für sie geht es um den Erhalt eines Ortes der Kreativität, der Kunst und Geschichte. «Das ist schlimmer wie vor einem Auftritt», flüstert die 15-jährige Maria-Sara Richter.
Nur wenige Momente später ist die Zukunft des Grundstücks auf der Ostseeinsel Hiddensee besiegelt. Für 402 000 Euro geht es an diesem Samstag an einen Mann aus Sachsen. «Jetzt wird alles gut», freut sich Maria-Sara.
Für mächtig Wirbel hatte das Feriendomizil der Tanzpädagogin gesorgt. Auf dem Grundstück hatte bis vor einer Woche ein Ferienhaus gestanden, in dem Palucca 30 Jahre lang schöpferisch tätig gewesen war. Am 20. März wurde es jedoch überraschend abgerissen. Der Verein der Freunde und Förderer der Palucca-Schule hatte das Haus ursprünglich mit Hilfe von Spendengeldern sanieren und nutzen wollen.
Das Mindestgebot für das 1561 Quadratmeter große Grundstück inklusive einer bis 27. Juni gültigen Baugenehmigung für ein Ferienhaus lag bei 398 000 Euro. Ein schriftliches Angebot in Höhe von 400 000 Euro wurde bei der Deutschen Grundstücksauktionen AG zuvor eingereicht. Das zweite Angebot kam direkt von dem Sachsen, für 402 000 Euro konnte er das Domizil ersteigern. Es ginge ihm darum, das Grundstück im Sinne von Palucca zu erhalten, betont er nach der Auktion. Doch auch Kunst brauche eine reelle Basis, er erwarte vom Förderverein ein tragfähiges Konzept. An den Vereinsvorsitzenden gewandt sagt er: «Sie haben in der Zukunft viel zu tun».
Mit Spendenaufrufen und Unterschriftensammlungen hatten die Studentinnen und der Förderverein in den vergangenen Wochen um den Erhalt gekämpft. Eine herbe Enttäuschung sei für sie der Abriss gewesen. Am Morgen vor der Auktion hatten sich die Mädchen vor dem Rathaus versammelt, Flyer verteilt und mit gerahmten Fotografien an das kulturelle Denkmal erinnert.
Umso mehr hoffen die Studentinnen nun auf eine gemeinsame Zukunft mit dem neuen Eigentümer. «Vielleicht kann man zusammen das Haus wieder aufbauen», erzählt Eila aufgeregt mit roten Bäckchen. Die Mädchen fallen dem Sachsen um den Hals, als ob sie ihn schon lange Zeit kennen würden. Hirsch jedoch betont, dass er dem Mann zuvor noch nie «persönlich begegnet» sei. «Es hat ein gutes Ende genommen, das ist die Hauptsache», strahlt Anna-Maria und überreicht dem neuen Eigentümer die gerahmten Fotos des Grundstücks.

Dania Ringeisen, ddp Berlin, 28.03.09